Deutsche Stiftungen im Nachhaltigkeits-Check
Facing Finance überprüft die Anlagerichtlinien deutscher Stiftungen

Gemeinnützige Stiftungen in Deutschland finanzieren sich zu einem großen Teil aus den Kapitalerträgen ihres Stiftungsvermögens. Allerdings bekennen sich bislang nur wenige Stiftungen öffentlich zu nachhaltigen Investmentrichtlinien. Auch gesetzliche Regelungen fehlen. Mit dem Projekt „Fair Anlegen & Stiften“ möchte Facing Finance deutsche Stiftungen dafür sensibilisieren, Nachhaltigkeitskriterien in ihren Anlagerichtlinien zu verankern, um damit ggf. auch im Sinne ihres Stiftungszwecks zu agieren. Das Projekt wird durch das Umweltbundesamt (UBA) gefördert.
Deutschland besitzt mit mehr als 24.650 Stiftungen (Stand: 2022) den europaweit größten Stiftungssektor. Rund 92% von ihnen sind gemeinnützig: Ihrem Stiftungszweck entsprechend, finanzieren sie Projekte, die eine positive Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt haben sollen – etwa im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, der Entwicklungszusammenarbeit oder des Naturschutzes.
Wofür Stiftungen Geld ausgeben, ist allerdings nur eine Seite der Medaille, wenn es um die soziale und ökologische Bilanz von Stiftungen geht. Denn die finanziellen Mittel zur Verwirklichung gemeinnütziger Projekte stammen oft aus den Erträgen, die mit der Anlage des Stiftungsvermögens auf dem Kapitalmarkt erzielt werden.
Mit einem Gesamtkapital von mindestens 110 Mrd. € (Stand: 3/2021) stellen deutsche Stiftungen eine besonders vermögende Investorengruppe dar. Damit beeinflussen sie Gesellschaft und Umwelt nicht nur über ihre Fördertätigkeit, sondern in erheblichem Maße auch über ihre Investmententscheidungen. Sind Stiftungen etwa an Unternehmen in Form von Aktien oder Anleihen beteiligt, profitieren sie ggf. in Form von Zinsen und Dividenden von schädlichen Geschäftsmodellen, die soziale und ökologische Standards bzw. Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz ignorieren. Damit finanzieren sich Stiftungen unter Umständen durch Missstände, die sie nicht selten eigentlich (laut Satzungszweck) beseitigen wollen.
Paradoxerweise gibt es bislang keine gesetzlichen Vorgaben zu ethischen und nachhaltigen Standards bei der Vermögensanlage von Stiftungen. Mangels staatlicher Regulierung ergibt sich für Stiftungen also eine große Verantwortung, der sie mittels strenger Richtlinien und Engagement-Prozessen nachkommen müssen. Nur wenige gemeinnützige Stiftungen bekennen sich allerdings bislang öffentlich zu einer nachhaltigen Anlagepraxis.
Tipps und Informationen zur Bedeutung nachhaltiger und transparenter Anlagerichtlinien finden Sie in unserem 2022 erschienenen Leitfaden für gemeinnütziges Stiften und eine sozial-ökologische Geldanlage:
Studie: Wie nachhaltig und transparent investieren die größten gemeinnützigen Stiftungen?
Facing Finance hat untersucht, inwiefern die 37 kapitalstärksten gemeinnützigen Stiftungen Nachhaltigkeitskriterien bei der Investmententscheidungen berücksichtige bzw. inwieweit sie entsprechende Informationen öffentlich oder im direkten Dialog zur Verfügung stellen.
Das Ergebnis: Bei Finanzanlagen lassen Stiftungen Transparenz und Nachhaltigkeit vermissen. Stiftungen sind wohlhabende aber zumeist intransparente Investoren. So verfügen die untersuchten Stiftungen über Finanzanlagen im Gesamtwert von mindestens 30,9 Mrd. €. Nur bei der Hälfte der Stiftungen finden sich allerdings Hinweise auf ESG-Kriterien (Environment, Social und Governance).
Mehr Details zu den untersuchten Stiftungen und unseren Empfehlungen in der 2023 erschienenen Studie:
Hr-iNFO: Geld für’s Gemeinwohl? Die Macht der Stiftungen (Interview mit Projektkoordinatorin Emilia Tafel)
Als gemeinwohlorientierte und steuerbegünstigte Organisationen, sollten Stiftungen transparenter und nachhaltig investieren. Das Projekt „Fair Anlegen & Stiften“ will Stiftungen als Anreiz dienen, ihre Investmentpraxis als wesentlichen Teil ihres gemeinnützigen Zwecks zu verstehen und damit ihrer Verantwortung besser nachzukommen.
Interessierte Stiftungen können mit Facing Finance in Kontakt treten:
Emilia Tafel
Projektkoordination
Telefon: +49 (0) 30 3266 1679
E-Mail: emilia.tafel@facing-finance.org
- Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages