Facing Finance ist nun Teil der Initiative Lieferkettengesetz

Bundestag verabschiedet Lieferkettengesetz – erster Schritt zu mehr Verantwortung besiegelt

Nach langem Ringen zwischen Lobby, Politik und NGO‘s wurde das Lieferkettengesetz am 11. Juni 2021 noch von der aktuellen schwarz-roten Regierung verabschiedet. Für das Gesetz, welches ab 2023 für mehr Schutz der Menschenrechte und Umwelt sorgen soll, hatten vergangen Freitag 412 Abgeordnete gestimmt. 59 Parlamentarier*innen enthielten sich der Abstimmung, 159 stimmten dagegen.[1] Das Gesetz durchlief bis zur finalen Verabschiedung verschiedene Stadien, bis es letztlich in deutlich abgeschwächter Form durchgebracht werden konnte.

 

Das Wichtigste in Kürze

Der „Gesetzesentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ soll deutsche Unternehmen zur Sicherstellung von Menschenrechten und Umweltstandards im gesamten Produktionsprozess verpflichten. Wichtige, von der Zivilgesellschaft gestellte Forderungen wurden jedoch von Wirtschaftsverbänden im Aushandlungsprozess verwässert. So ist keine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vorgesehen. Opfer von Menschenrechtsverletzungen haben damit keine rechtliche Grundlage, auf der sie von Unternehmen Entschädigungen einklagen könnten.[2] Zudem wird in dem Gesetz zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern unterschieden. Nur für die unmittelbaren Zulieferer müssen sich Unternehmen zukünftig verantworten.[2] Um solche handelt es sich bei direkten Vertragspartnern. Die wiederum sind zu einem großen Teil hier in Deutschland aktiv. Da die meisten Menschenrechtsverletzungen jedoch außerhalb Deutschlands begangen werden, ist es fraglich inwieweit das Gesetz an den nötigen Stellen greift und über eine symbolische Geste hinausgeht.[2] Bei mittelbaren Lieferanten müssen Unternehmen „anlassbezogen“ tätig werden, also dann, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen, Arbeitsrechtsverletzungen, Gesundheitsschutz- oder Umweltverstößen erfahren. Das heißt, dass eine Analyse erst dann nötig wird, wenn bereits konkrete Hinweise auf Rechtsverletzungen vorliegen. Das Unternehmen ist dann angehalten, ein Konzept zur Vermeidung und Verminderung der Rechtsverletzungen zu implementieren[3]. Eine Pflicht Geschäftsbeziehungen abzubrechen, sollte das Konzept nicht fruchten, sieht das Gesetz nicht vor.[3] Sobald ein Zulieferer also durch eine andere Firma von der Lieferkettenspitze entfernt ist, entfällt die Vorsorgepflicht, was die Umsetzung der Idee erheblich untergräbt, da der nötige Domino-Effekt nicht einsetzt. Anwendung findet es ab 2023 bei Unternehmen über 3000 Mitarbeiter*innen.[4] Ein Jahr später folgen dann die Unternehmen mit über 1000 Mitarbeiter*innen.[4] Ab 2023 betrifft es damit rund 700 und ab 2024 rund 2900 Unternehmen.[4] Über weitere Anwendungsbereiche soll dann noch einmal beraten werden.[4] Mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung sind derzeit Bußgelder und Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.[4]

 

Süßes Schlemmen dank Kinderarbeit

Am Beispiel der Schokoladenproduktion zeigt sich die Notwendigkeit eines umfassenden Lieferkettengesetzes. 70 Prozent der weltweiten Kakaomenge werden auf westafrikanischen Plantagen geerntet. Die wichtigsten Anbauländer sind Ghana und Côte dʼIvoire. Ferrero, Nestle, Mondolez, Mars und weitere Schokoladenhersteller beziehen ihren wichtigsten Rohstoff aus dieser Region, in der seit Jahrzehnten das Problem der Kinderarbeit bekannt ist. Laut Kakao-Barometer sind dort ca. 1,5 Millionen Kinder an der Kakao-Produktion beteiligt.[5] Verzicht auf Schulbesuch, Pestizidbelastung, fehlender Arbeitsschutz, das Tragen schwerer Lasten sind Alltag für diese Kinder.[5][6] Hohe Umsätze auf Unternehmensseite stehen damit Armut, Unterernährung, Menschenhandel, unsicheren Arbeitsbedingungen und anderen sozialen und ökologischen Problem auf Seite der Bevölkerung in Westafrika gegenüber.[7] Zudem sollen rund 16.000 Kinder von Zwangsarbeit betroffen sein.[7] Trotz dieser alarmierenden Zustände kann keiner der großen Schokoladenhersteller garantieren, dass dessen Produkte frei von Kinderarbeit sind.[7] Ein umfassendes Lieferkettengesetz, würde Unternehmen in die Pflicht nehmen, gegen ausbeuterische Praktiken vorzugehen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen und zu evaluieren. Sie wären in der Pflicht nachweislich alle Möglichkeiten im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen auszuschöpfen und müssten rechtlich und finanziell für etwaige Schäden entlang der ganzen Produktionskette einstehen.[7]

 

Unsere Forderungen

Aus unserer Arbeit wissen wir, dass sich Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden oftmals auf den Anfang der Lieferkette konzentrieren. Die Abstufung der Sorgfaltspflichten finden wir daher wenig zielführend, wenn man Mensch und Umwelt entlang der ganzen Lieferkette wirklich schützen möchte. Wenn Deutschland eine Vorreiterrolle im Einsatz für Menschenrechte und Umweltschutz einnehmen möchte, darf es zukünftig nicht hinter internationalen Vertragsentwürfen zurückbleiben. Die Leitprinzipien der UN für Wirtschaft und Menschenrechte sehen ein vorbeugendes Handeln (beispielsweise mit Risikoanalysen) vor. Das deutsche Unternehmen erst dann tätig werden müssen, wenn bereits konkrete Hinweise auf Verletzungen in der Lieferkette vorliegen, ist nicht umfassend genug. Umweltschäden gehen oft Hand in Hand mit Menschenrechtsverletzungen. Diese sind im Gesetz nicht hinreichend thematisiert. Zukünftig muss das Gesetz auch für kleinere Unternehmen greifen, denn auch die stehen an der Spitze der Lieferkette und profitieren von Ausbeutung.

Mit über 120 weiteren Organisationen setzt sich Facing Finance als Teil der Initiative Lieferkettengesetz für eine Wahrung der Menschenrechte und des Umweltschutzes ein. Gemeinsam fordern wir[8]:

  • verpflichtende Vorbeugepflicht in der gesamten Lieferkette (und nicht nur für die direkten Zulieferer)
  • eine zivilrechtliche Haftungsregelung, die es Betroffenen ermöglicht, Unternehmen bei Missachtung anzuklagen
  • eine Erweiterung des Gesetzes durch umweltbezogene Sorgfaltspflichten, um die Umwelt zu schützen
  • die Verpflichtung von Unternehmen bereits ab 250 Mitarbeiter*innen

 

Das Gesetz ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung aber in jetziger Ausführung werden die Ziele des Gesetzes verfehlt. Wir wissen, dass der Kampf gegen Ausbeutung von Mensch und Natur nur international ausgefochten werden kann. Daher braucht es eines starkes nationales Gesetzes, um den Weg für internationale Verträge zu ebnen.

 

Autorin: Karina Rudi

 

[1] https://www.tagesschau.de/inland/lieferkettengesetz-109.html

[2] https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/lieferkettengesetz

[3] https://verfassungsblog.de/das-deutsche-lieferkettengesetz/

[4] https://www.bmz.de/de/entwicklungspolitik/lieferketten

[5] https://utopia.de/kakao-barometer-kakao-anbau-218645/

[6] https://lieferkettengesetz.de/fallbeispiel/kinderarbeit-in-westafrika/

[7] Cacao-Barometer 2020, S. 9.

[8] https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/lieferkettengesetz#stark