Wirtschaft und Menschenrechte: Regierung steht mal wieder nicht zu ihrem Wort

Immer wieder gibt es Fälle von eklatanten Umwelt- und Menschenrechtsverstößen durch Unternehmen: „Industrieunfälle“, bei denen Tonnen giftiger Produkte Gewässer verseuchen, Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, Ausbeutung von Arbeitern*innen in Textilfabriken oder Ermordung von Menschenrechtsverteidiger*innen. Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind hier keine Ausnahme. Auch sie verletzen in ihren Auslandsgeschäften allzu häufig Menschenrechte und Umweltstandards.

Seit langem fordert die Zivilgesellschaft verbindliche Regeln für Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt – auch bei ihren Auslandstätigkeiten. Und doch tun Regierungen und Unternehmen alles in ihrer Macht Stehende, um der freien Marktwirtschaft keine Beschränkungen aufzuerlegen. Jüngstes Beispiel dafür: Das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium wollen offenbar unbedingt vermeiden, dass ein Monitoring-Verfahren die Notwendigkeit bestätigt, eine rechtlichen Verpflichtung der Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte im Ausland durchzusetzen.

Gemäß den 2011 verabschiedeten UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen Staaten sicherstellen, dass alle in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen und/oder ihrer Jurisdiktion unterstehenden Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit die Menschenrechte achten ((Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte, Leitprinzip 2. https://www.globalcompact.de/wAssets/docs/Menschenrechte/Publikationen/leitprinzipien_fuer_wirtschaft_und_menschenrechte.pdf)). Die Bundesregierung hat 2016 einen Nationalen Aktionsplan (NAP) für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, der die UN-Leitlinien umsetzen soll. Der NAP ruft die deutschen Unternehmen auf, freiwillig ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Der NAP erwartet, dass Unternehmen eine Grundsatzerklärung zur Gewährleistung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht erarbeiten, die darauf abstellt, Menschenrechtsverletzungen zu ermitteln, entsprechend zu handeln, darüber zu berichten und einen Beschwerdemechanismus einzurichten ((Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016–2020, S. 7-10.)). Diese Sorgfaltsplicht erstreckt sich auf alle ihre Lieferanten und Geschäftspartner im Ausland und ist freiwillig ((Nationaler Aktionsplan Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016–2020, S. 19)). Der NAP sieht vor, dass bis 2020 mindestens die Hälfte der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die wesentlichen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben ((https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/wirtschaft-und-menschenrechte/monitoring-nap/2124010)).

Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD vereinbart: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“ ((https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/wirtschaft-und-menschenrechte/monitoring-nap/2124010)). Zu diesem Zweck hat die Regierung die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young mit einem Monitoring beauftragt. Diese Überprüfung der heutigen unternehmerischen Praxis soll feststellen, inwieweit deutsche Unternehmen jetzt schon, auf freiwilliger Basis und ohne gesetzliche Anforderungen, die Menschenrechte in ihren Auslandsaktivitäten berücksichtigen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind hoch relevant, da von ihnen abhängt, ob gesetzliche Bestimmungen eingeführt werden müssen. Die Unternehmensbefragung soll in den kommenden Wochen beginnen. Allerdings versuchen das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt, die Kriterien herabzusetzen und die Resultate weichzuspülen ((https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/aussenwirtschaft/wirtschaft-und-menschenrechte/monitoring-nap/2124010)). An mehreren Stellen wurden die Methodik des Monitorings und der Bewertung offenbar so geändert, dass Unternehmen als „Erfüller“ der Sorgfaltspflicht gelten, die dies gar nicht sind – etwa indem Unternehmen, die den Fragebogen unausgefüllt lassen, als „nicht-teilnehmend“ angesehen werden. Auch die Grenze, ab wann die Sorgfaltspflicht als erfüllt angesehen wird, wird herabgesetzt, indem „Grenzfälle“ für Unternehmen eingeführt werden, die vorher als „Nicht-Erfüller“ galten. So fallen die Ergebnisse des Monitoring besser aus, als sie es tatsächlich sind, und die deutsche Bundesregierung könnte mal wieder von gesetzlichen Maßnahmen Abstand nehmen ((http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grosse-koalition-kanzleramt-will-menschenrechtsbericht-weichspuelen-a-1260737.html)).

Effektiver Menschenrechtsschutz sieht anders aus, und wir fordern die Bundesregierung auf, endlich ihren Beitrag zu leisten. Die Achtung der Menschenrechte ist jedoch weder verhandelbar noch freiwillig- und das gilt auch für deutsche Unternehmen.