Defenders of the Earth Report – 2016 wurden weltweit mindestens 200 Aktivist*innen ermordet

[:en]Erlaubnis von Global Witness (Billy Kyte) erteilt am 21.07.2017[:]

Anfang Juli hat die NGO Global Witness ihren „Defenders of the Earth Report 2016“ veröffentlicht. Global Witness kam zu dem Ergebnis, dass 2016 mindestens 200 Menschen ermordet wurden, die ihr Land bzw. ihre Umwelt gegen die Landnahme durch multinationale Konzerne verteidigt haben.

 

2016 wurde die bisherige Höchstzahl an Morden erreicht

Noch nie gab es so viele Morde an Aktivist*innen für Landrechte und Umwelt wie 2016. Dieser Negativtrend scheint eine globale Entwicklung darzustellen: Während 2015 noch 16 Länder von derartigen Morden betroffen war, befanden sich 2016 schon 24 Länder auf der Liste von Global Witness. Die meisten Morde gab es in Brasilien, es folgen Kolumbien, die Philippinen, Indien, Honduras, Nicaragua, die Demokratische Republik Kongo, Bangladesch, Guatemala und viele weitere.

Den Aktivist*innen aus diesen unterschiedlichen Ländern ist gemein, dass sie gegen die Landnahme durch multinationale Konzerne kämpfen, welche in den Gebieten meist indigener Bevölkerungen landwirtschaftliche Projekte oder Bergbau betreiben bzw. planen, illegal roden und generell die Ressourcen dieser Regionen ausbeuten. Bei diesen Vorhaben ist das Einverständnis der lokalen Bevölkerung oft irrelevant; ihre Ansprüche auf Land, welches sie oft seit Generationen bewirtschaften und als Lebensgrundlage betrachten, werden schlicht übergangen.

Internationale Investoren, darunter auch Entwicklungsbanken, finanzieren in vielen Fällen derartige Projekte und machen sich dadurch für Menschenrechtsverletzungen mit verantwortlich.

Zu den 200 Ermordeten gehören NRO-Mitarbeiter*innen, Parkwächter in Nationalparks und vor allem Aktivist*innen aus indigenen Gemeinden. Es kann von einer weitaus höheren Dunkelziffer ausgegangen werden, da nicht alle Morde von Global Witness erfasst und rückbestätigt werden konnten.

Unter den Täter*innen befinden sich nicht nur private Akteure wie Sicherheitsleute, Wilderer, Geschäftsleute oder Auftragsmörder, sondern in vielen Fällen auch staatliche Kräfte wie die Polizei oder das Militär.

Neben Morden finden viele weitere Gewalttaten gegenüber den Aktivist*innen statt. So verzeichnet Global Witness auch Angriffe gegen Personen, Drohungen, Erpressungen, sexualisierte Gewalt, das „Verschwindenlassen“ von Aktivist*innen und die gewalttätige Niederschlagung friedlicher Proteste.

Beispiele betroffener Projekte

In Kolumbien wurden 2016 37 Aktivist*innen getötet, die ihr Land verteidigt haben. Die historischen Konflikte zwischen Milizen, Paramilitärs und den lokalen indigenen oder afro-kolumbianischen Gemeinschaften haben vielfach zu Gewalttaten und Morden im Kampf um Landrechte geführt. Internationale Investoren und Unternehmen machen sich hier in vielen Fällen durch ihre Projekte in diesen Regionen mit schuldig.

So führten u. a. die Aktivitäten von multinationalen Bergbaukonzernen wie Glencore, BHP Billiton und Anglo-American im Cerrejón-Kohletagebau zu Umsiedlungen der lokalen Bevölkerung und verschmutzen die Wasserressourcen der Region.

Auch in Indien hat die Gewalt gegen lokale Aktivist*innen 2016 zugenommen. Im vergangenen Jahr gab es allein dort 16 Morde. Zudem nahm die staatliche Repression zivilgesellschaftlicher Aktivitäten zu, Aktivist*innen wurden kriminalisiert und politisch diskreditiert.

In einem heiligen Gebiet der indigenen Gemeinde der Dongria Kondh wurde von 2004 bis 2014 ein Abbauprojekt des britischen Bergbaukonzerns Vedanta Resources realisiert. Nachdem das Projekt durch den indischen Supreme Court gestoppt wurde, hat die Polizeigewalt gegen die Dongria Kondh zugenommen. Es gab wiederholt Angriffe und Einschüchterungen, 2016 wurde ein junger Mann von staatlichen Sicherheitskräften überfallen und erschossen. Der Konzern Vedanta streitet jedoch ab, in diese Gewalt involviert zu sein.

Das Vedanta-Projekt wurde u. a. durch die von der Weltbank unterstützten Entwicklungsbanken Axis und YES finanziert. Die Church of England und der norwegische Pensionsfonds haben ihre Investitionen in Vedanta aufgrund dieser Vorfälle bereits zurückgezogen.

Wie Unternehmen, Investoren und Regierungen handeln sollten

Fazit des Berichtes: Unternehmen und Staaten kommen nicht ausreichend ihrer Verantwortung nach (welche seit 2011 auch in den UN Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte verankert ist), gefährdete Aktivist*innen zu schützen. Im Gegenteil: Die Aktivist*innen werden oft selbst als Kriminelle dargestellt und es wird versucht, sie durch erfundene Vorwürfe und aggressive Klagen zum Schweigen zu bringen.

Um die oft gewaltsame Landnahme zu verhindern, ruft Global Witness Investoren daher dazu auf, Projekte vor der Finanzierung auf die Einhaltung von Menschenrechten zu untersuchen. Bei auftretenden Kontroversen oder Hinweisen, dass die Rechte und Stimmen der lokalen Bevölkerung übergangen werden, sollten Investoren ihre Finanzierungen einfrieren.

Außerdem appelliert die NRO an Regierungen, Unternehmen, Handels- und Entwicklungshilfepartner, die Menschenrechte sicherzustellen und lokale Aktivist*innen zu schützen. So sollen die genannten Akteure zunächst die Ursache des Unrechts bekämpfen, indem sie bei Projekten sicherstellen, dass betroffene Gemeinden frei und informiert über die Nutzung ihres Landes entscheiden können. Weiterhin sollten Regierungen Gesetze erlassen und befolgen, welche die Aktivist*innen schützen und auch öffentlich für diese eintreten. Zuletzt sollten die Verantwortlichen für die Gewalt gegen die Aktivist*innen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies soll laut Global Witness nicht nur die Auftraggeber der Morde betreffen, sondern auch diejenigen Akteure, welche den Aktivist*innen nicht den notwendigen Schutz geboten haben.

Der Defenders of the Earth Report kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:

https://www.globalwitness.org/en-gb/campaigns/environmental-activists/defenders-earth/