„Round Table“ im Deutschen Bundestag

Round Table "Investment in Streumunition", Deutscher Bundestag, 22.9.2011

Am 22. September veranstaltete FACING FINANCE in Zusammenarbeit mit Uta Zapf, der Vorsitzenden des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, im deutschen Bundestag einen hochrangig besetzten „Round Table“ zum Thema Investment in Streumunition und Anti-Personenminen gesetzlich verbieten. Bei einer ersten Informationsveranstaltung im Bundestag, dem „Parlamentarierfrühstück“ im Mai 2011, hatten sich Abgeordnete den Austausch mit deutschen Banken und Erfahrungsberichte anderer Staaten gewünscht, die ein Investitionsgesetz in Streumunitionshersteller schon auf den Weg gebracht haben. FACING FINANCE griff diese Anregungen auf und versammelte alle relevanten Akteure in diesem Bereich. (Dokumentation Round Table ‚Investment in Streumunition und Antipersonenmienen gesetzlich verbieten‘, Deutscher Bundestag, Berlin, 22.9.2011) Videos der einzelnen Statements gibt es hier.

Botschafter aus Luxemburg und Belgien, sowie eine Mitarbeiterin des Schweizer Departements für auswärtige Angelegenheiten berichteten von den Erfahrungen mit ihren Verbotsgesetzen. Neben Abgeordneten aller Fraktionen beteiligten sich auch Vertreter weiterer Nichtregierungsorganisationen (urgewald, Netwerk Vlaanderen, Pax Christi Netherlands, Earthlink und Handicap International Deutschland) lebhaft an der Diskussion. Ebenfalls sehr interessiert zeigten sich alle großen deutschen Banken: Sowohl die Commerzbank, als auch Vertreter der Deutschen Bank, der Allianz und der Unicreditgroup/HvB nahmen teil. Auch Rating-Agenturen, Ethikbanken wie die GLS und Mitarbeiter von FINANZTEST/Stiftung Warentests waren vertreten. Während es ausführliche Debatten zu den Details der Gesetzgebung gab, schien über einen grundsätzlichen Handlungsbedarf ein relativ breiter Konsens zu herrschen.

Round Table
Roderich Kiesewetter (CDU), Sandra Lendenmann (Schweiz), Botschafter Renier Nijskens (Belgien), Uta Zapf (SPD) und Botschafterin Martine Schommer (Luxemburg) v.l.

Beide geladenen Botschafter, der belgische Renier Nijskens und die luxemburgische Martine Schommer, betonten  gleich zu Anfang der Veranstaltung das „nicht akzeptable Leid“ (Nijskens) und die enormen „Schäden“ (Schommer), die durch Streumunitionen entstehen. Verstümmelungen und hunderte Todesopfer, anhaltende Gefahr für die

Zivilbevölkerung, noch lange Jahre nach Ende von kriegerischen Konflikten – darum geht es im Kern, denn solange Geld in Hersteller von Streumunition fließt, kosten diese Leben.

Die OSLO-Konvention zum Verbot von Streumunition von 2008 war nur ein erster Schritt diese kontroversen Waffen zu stoppen. Sie lässt zu viel Raum für Interpretation. Die Unterstützung der Herstellung von Streumunition ist durch Artikel 1c der OSLO-Konvention verboten. Doch wird dies auf unterschiedliche Weise ausgelegt. Die deutsche Bundesregierung legt es derzeit so aus, dass dies kein Verbot von Investitionen impliziert. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hingegen hat  unlängst das Gegenteil ausgesagt. Solch ein Schlupfloch durch Interpretationsfreiheit gilt es zu schließen. Dies schafft vor allem auch Rechtssicherheit, so Sandra Lendenmann des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, die beim „Round Table“ von der Schweizer Gesetzgebung berichtete.

Auch die Perspektive der Banken kam zu Wort. Uwe Prim von der Commerzbank hob die auf Freiwilligkeit beruhenden Richtlinien der Bank hervor, die unter anderem Investitionen in alle kontroversen Waffen ausschließt. Doch gab er auch zu, dass die Umsetzung der Richtlinien im Konzern eine Herausforderung sei.

Eine Herausforderung, die die Politik durch Gesetzgebung erleichtern muss? Barbara Happe, Bankenreferentin von der NGO urgewald eV., verwies darauf, dass selbst Banken sagen,  dass hier der Gesetzgeber gefordert ist, den Banken diese Investments zu verbieten.

In der Tat sprach sich keiner der anwesenden Bankenvertreter ausdrücklich gegen ein Investitionsverbot in Streumunitionshersteller aus. Die verschiedenen Redner gaben eher Denkanstöße zu Fragen der Implementierung und Details der Gesetzgebung. Viel diskutiert wurden zum Beispiel die Umsetzung einer „schwarzen Liste“ von Herstellern und die Frage, ob ein Verbot nur direkte oder auch indirekte Investitionen einschließen sollte.  Reinhilde Weidacher von der schwedischen Beratungsagentur Ethix SRI Advisor, sprach sich diesbezüglich für ein Verbot von sowohl direkten als auch indirekten Investitionen aus, da direkte Investitionen nur wenig einschließen.

Round Table
Thomas Küchenmeister (Facing Finance) und Barbara Happe (urgewald)

Auch Thomas Küchenmeister von FACING FINANCE betonte, dass es nicht ausreiche, Regelungen zu haben, die nur „vorsätzliche“ Finanzierungen (wie z.B. in Luxemburg) verbieten und indirekte Finanzierungen nur dann zu verbieten, wenn sie der Umgehung der direkten Finanzierung dienen (so wie es in der Schweiz vorgesehen ist). Dies wäre kaum überprüfbar bzw. nachweisbar, so Küchenmeister. Schließlich beantragen Waffenproduzenten in der Regel keine Finanzmittel für die Herstellung völkerrechtswidriger Waffen, sondern finanzieren diese Geschäfte gern über allgemeine Unternehmenskredite oder die Ausgabe von Anleihen und Aktien. Außerdem verurteilte Küchenmeister jede steuerliche Subventionierung von Altersvorsorgeprodukten, die in völkerrechtwidrige Waffen investieren und forderte eine Novellierung des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG). Auch müssten Hersteller völkerrechtswidriger Waffen von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, so der Koordinator von FACING FINANCE.

Die Diskussionsbeiträge der Abgeordneten aller Fraktionen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Ausgestaltung einer Gesetzgebung und damit verbundenen Fragen. Während die Oppositionsparteien – Grüne, SPD und Linke – sich eindeutig für ein Gesetz und die Unterstützung des Antrages der Bündnis 90/Grünen (Drucksache 17/4697) aussprachen, vermieden es die Regierungsparteien sich klar zu positionieren. Die Redner der CDU und FDP äußerten sich nicht pauschal gegen ein Verbot, sondern diskutierten lediglich die schon genannten offenen Fragen der Umsetzung. Roderich Kiesewetter von der CDU warnte, dass wenn ein Gesetz kommen sollte, dies „kein Lax“ sein dürfe.  Christoph Schnurr von der FDP forderte, ein Gesetz müsse „eindeutig, überprüfbar und effektiv“ sein. So schien von allen Seiten geradezu implizit akzeptiert, dass Artikel 1c und auch der moralische Imperativ ein Gesetz fordern.

In einem nächsten Schritt wird der Deutsche Bundestag am 22 März 2012 aller Voraussicht nach über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 17/4697) entscheiden.

Wird dem Antrag zugestimmt, muss u.a.:

-§ 18a Absatz 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen dahingehend geändert werden, dass ausdrücklich auch ein Investitionsverbot in die Herstellung und Entwicklung von Antipersonenminen und Streumunition eingeschlossen wird;

-jegliche steuerliche Subventionierung der Investitionen in Streumunition und Antipersonenminen durch das Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) unterbunden werden, wie von FACING FINANCE gefordert.