Vereinte Nationen veröffentlichen Liste von 112 Unternehmen, die mit israelischen Siedlungen im Westjordanland fragwürdige Geschäfte machen

(Berlin, 17.2.2020) Die Vereinten Nationen haben am 12. Februar 2020 eine brisante Liste von 112 Unternehmen veröffentlicht, die mit israelischen Siedlungen im Westjordanland Geschäfte machen und damit riskieren, völkerrechtswidrige Handlungen zu unterstützen.

Als Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen in diesem Kontext gelten u.a. Siedlungsaktivitäten, Landnahme, Umweltverschmutzung, die Zerstörung von Wohnhäusern und (Zwangs)Umsiedlung der besetzten Bevölkerung, die Ausbeutung von Ressourcen zum eigenen Nutzen und Nachteil der ansässigen Bevölkerung sowie die nicht vollständige Erfüllung der völkerrechtlich vorgeschriebenen Ordnungs- und Versorgungspflichten einer Besatzungsmacht. Gleiches gilt für Kollektivstrafen und die Errichtung von Sperranlagen, welche die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung in besetzten Gebieten einschränken.

Die Liste, die keines der Unternehmen illegaler Aktivitäten beschuldigt, wurde auf Antrag des UN-Menschenrechtsrats erstellt und identifiziert Geschäftsaktivitäten auf von Israel besetztem Territorium bzw. in Siedlungen im Westjordanland, in Ostjerusalem und auf den Golanhöhen. Dazu gehören die Bereitstellung von Überwachungsausrüstung, Ausrüstung für den Bau von Siedlungsstrukturen oder den Abriss palästinensischer Strukturen, Bank- und Finanzdienstleistungen und Werkzeuge zur Aneignung von Wasser oder Land.

Das UN-Büro des Hochkommissars für Menschenrechte in Genf gab an, es habe gute Gründe gegeben, diese 112 Unternehmen zu identifizieren, die größtenteils in Israel ansässig sind, aber auch aus den Vereinigten Staaten und Europa stammen und in den von Israel besetzten Territorien wirtschaftlich aktiv sind. Zu den Unternehmen gehören Banken und Energieversorger aus Israel, ebenso wie der multinationale Getreidegigant General Mills, das Technologieunternehmen Motorola Solutions und auch Top-Unternehmen aus der Tourismusbranche wie TripAdvisor, Expedia, Booking.com oder Airbnb Inc.

Während die großen politischen Parteien in Israel gegen die Veröffentlichung der Liste teils heftig protestierten und von einem „dunklen Tag für die Menschenrechte“ sprachen, begrüßten palästinensische Politiker*innen sowie palästinensische Menschenrechtler*innen und internationale Menschenrechtsorganisationen die Veröffentlichung der Liste.

Der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat gratulierte dem UN-Menschenrechtsrat – dem Israel und die USA nicht angehören – zum Abschluss seiner Untersuchungen angesichts der „heftigen Angriffe“ Israels und der Trump-Administration. „Diese Liste enthält zwar nicht alle Unternehmen, die von Israels illegalen Siedlungsunternehmungen im besetzten Palästina profitieren, aber sie ist ein entscheidender erster Schritt, um die Hoffnung auf Multilateralismus und internationales Recht wiederherzustellen“, so Erekat.

Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Berliner NGO Facing Finance dokumentiert 27 Unternehmen, die in besetzten und annektierten Gebieten (Westsahara, Krim und den palästinensischen Gebieten) tätig sind und dort riskieren, völkerrechtswidrige Handlungen zu unterstützen. Dazu gehören auch Siemens, HeidelbergCement und DHL.

„Nicht nur Unternehmen sondern auch ihre Finanzdienstleister müssen die Normen des humanitären Völkerrechts in Bezug auf den Schutz der Menschen in besetzten Gebieten berücksichtigen“, fordert Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance, Herausgeber und Ko-Autor der Studie.

Die Studie identifizierte auch 15 deutsche Finanzdienstleister und zugehörige Vermögensverwaltungsgesellschaften, die an diese Unternehmen Kredite in Höhe von 11,8 Mrd. € vergeben, Anleihen in einer Größenordnung von 12,4 Mrd. € ausgeben, Aktien-Bestände in Höhe von gut 19 Mrd. € sowie Anleihen im Wert von gut 1 Mrd. € halten. Die Versorgung mit Kapital macht dabei rund 55 % der identifizierten Finanzbeziehungen aus und zeigt, dass deutsche Finanzdienstleister nicht nur von Geschäftstätigkeiten in Verbindung mit völkerrechtswidrigen Handlungen in besetzten Gebieten profitieren, sondern diese auch befördern.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass sich Unternehmen und Finanzdienstleister, die diese Handlungen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit unterstützen bzw. diese finanzieren, an diesen Verstößen mitschuldig machen.

„Finanzdienstleister müssen jegliche Finanzbeziehungen zu Unternehmen einstellen, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit zur Entwicklung, Erhaltung und Erweiterung von Siedlungen in den besetzten Gebieten beitragen oder sich an der Ausbeutung und Zerstörung von Land und Eigentum beteiligen,“ sagt Thomas Küchenmeister. Er verweist darauf, dass sich Unternehmen und ihre Finanzdienstleister sogar dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Komplizenschaft an Kriegsverbrechen aussetzen könnten.

Kontakt:

Thomas Küchenmeister
Geschäftsführender Vorstand
Facing Finance e.V.
facing-finance.org
kuechenmeister@facing-finance.org
+49 (0)175-4964082

Quellen:

Database of all business enterprises involved in the activities detailed in paragraph 96 of the report of the independent international fact-finding mission to investigate the implications of the Israeli settlements on the civil, political, economic, social and cultural rights of the Palestinian people throughout the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem – Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights

https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session43/Pages/ListReports.aspx (Bericht Nummer: A/HRC/43/)

Okkupiert, Annektiert und Profitiert- Völkerrechtswidrige Handlungen in besetzten und annektierten Gebieten, Facing Finance, August 2019.