Schlechte Noten für deutsche Discounter beim Oxfam-Supermarkt-Check

Bereits zum zweiten Mal hat die Hilfsorganisation Oxfam 16 deutsche, britische, niederländische und amerikanische Lebensmittel-Discounter im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ihrer angebotenen Lebensmittel untersucht. Trotz Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr zeigt sich in den Lieferketten deutscher Supermärkte weiterhin ein verheerendes Bild.

Supermärkte sind das letzte Glied in der Versorgungskette mit Lebensmitteln. Sie entscheiden, welche Produkte und Waren zu welchen Konditionen ihre Regale füllen. Dabei kontrolliert oft nur eine kleine Anzahl von Lebensmittelkonzernen den Einzelhandelsmarkt.[i] In Deutschland sind dies die vier Unternehmensgruppen um Edeka, Rewe, Aldi und Lidl, die zu 85 Prozent den Lebensmitteleinzelhandel dominieren.[ii] Mit ihrer Marktmacht haben sie einen erheblichen Einfluss auf die Preise und Konditionen ihrer Lieferanten. Die Rechnung dafür zahlen Kleinbäuer*innen am untersten Ende der Wertschöpfungskette, die unter zu geringen, oft nicht einmal existenzsichernden Einkommen sowie allzu häufig unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden.[iii]

Im diesjährigen Supermarktcheck untersuchte Oxfam die Discounter anhand von knapp 100 Bewertungskriterien in den folgenden vier Kategorien: Transparenz und Unternehmensführung, Achtung von Arbeits- und Frauenrechten sowie der Umgang mit Kleinbäuer*innen.[iv]

Die 16 untersuchten Supermärkte erzielten im Oxfam-Supermarkt-Check nicht einmal die Hälfte der zu erreichenden Punkte. Alle deutschen Supermärkte blieben in der Gesamtbewertung unter 20 Prozent. Im internationalen Vergleich schnitten die britischen Supermarktketten Tesco (38 Prozent) und Sainsbury‘s (27 Prozent) sowie der amerikanische Konzern Walmart (23 Prozent) am besten ab. Deutscher Spitzenreiter ist die Supermarktkette Aldi Süd (19 Prozent), die sich gegenüber dem Vorjahr (2018: 1 Prozent) deutlich verbesserte. Das Schlusslicht bildet Edeka mit lediglich einem von 100 Prozent. Der Lebensmittelkonzern erhielt in den drei Kategorien Transparenz, Arbeits- und Frauenrechte keinerlei Punkte. Aldi Nord und Lidl blieben in der Gesamtbewertung ebenso unter 10 Prozent, Rewe schnitt mit 13 Prozent ab.[v]

„Wir sehen konkrete Verbesserungen, aber umgerechnet in Schulnoten würde Aldi Süd mit mangelhaft [Note 5] abschneiden, alle anderen würden mit ungenügend [Note 6] durchfallen“, erklärt Franziska Humbert, Autorin der Oxfam-Studie.[vi] Die deutschen Supermärkte nehmen Leid und Ausbeutung als Zutaten in ihren Lieferketten in Kauf.

Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit spielen in deutschen Supermärkten laut den Ergebnissen der Oxfam-Studie keine Rolle. Bewertet wurde unter anderem die Stärkung von Frauen in Unternehmen (z.B. der Arbeitnehmer*innen), aber auch konkrete Verpflichtungen zur Verbesserung der Position von Frauen in der Lebensmittelversorgungskette (z.B. der Kleinbäuer*innen). Lediglich Aldi Süd erzielte in dieser Kategorie 10 Prozent für erste Anstrengungen im Rahmen ihrer Lieferketten. Die restlichen deutschen Discounter erlangten keine Punkte. Die britischen Supermarktketten Sainsbury’s (19 Prozent) und Tesco (29 Prozent) sowie der amerikanische Konzern Walmart (33 Prozent) zeigen, wie es besser gehen kann: diese untersuchen ihre Lieferketten auf systematische Hindernisse für Frauen und arbeiten mit Frauenorganisationen zusammen, um die Situation von Arbeiterinnen und Kleinbäuerinnen zu verbessern.[vii]

Großer Aufholbedarf besteht für die Unternehmen auch bei Arbeitsrechten. Nur Aldi Süd konnte hier ein zweistelliges Ergebnis (19 Prozent) vorweisen. Aldi Nord und Edeka erzielten in der Bewertung keine Punkte.[viii] Dabei sind die Missstände in der Lebensmittelproduktion enorm: Kinder- und Zwangsarbeit, prekäre Arbeitsbedingungen, Löhne unter dem Existenzminimum, Verwendung giftiger Pestizide ohne ausreichende Schutzkleidung, Gewalt und Geschlechterdiskriminierung – um nur einige Beispiele zu nennen.[ix]

In der Kategorie Transparenz und Unternehmensführung erzielten die deutschen Discounter die höchsten Punktzahlen (Ausnahme: Edeka mit 0 Prozent). Im internationalen Vergleich landet Aldi Süd auf dem zweiten Platz (31 Prozent). Aber auch Rewe (25 Prozent) und Lidl (21 Prozent) verbesserten sich deutlich gegenüber dem Vorjahr (2018: jeweils 0 Prozent). Alle drei Discounter verpflichteten sich beispielsweise zur Einhaltung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Aldi Süd veröffentlichte zudem eine menschenrechtliche Risikoanalyse seiner Produkte. Als Motor für Aldi Süds Bemühungen kann möglicherweise auch der Modern Slavery Act 2015 gelten. Da der Discounter auch auf dem britischen Markt tätig ist, unterliegt es dem Gesetz, welches Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 36 Mio. Britische Pfund eine Erklärungspflicht in Bezug auf Zwangs-/ Kinderarbeit und Menschenhandel entlang ihrer Lieferketten bzw. in all ihren Geschäftsbereichen auferlegt.[x]

In der Kategorie Umgang mit Kleinbäuer*innen erzielten Aldi Süd und Rewe von den untersuchten deutschen Discountern mit jeweils 17 Prozent das beste Ergebnis aufgrund ihrer Unterstützung verschiedener Projekte und dem vermehrten Angebot von Fair Trade Produkten.[xi] Kleinbäuerinnen und Kleinbauern erhalten meist nur einen geringen Anteil am Einzelhandelspreis. Ihre Durchschnittslöhne liegen allzu oft unter dem Existenzminimum. Lidl‘s Ankündigung im September vergangenen Jahres, nur noch fair gehandelte Bananen verkaufen zu wollen, war daher ein wichtiges Signal in der deutschen Lebensmittelbranche. Im Mai dieses Jahres ruderte der Discounter jedoch mit der Begründung mangelnder Kaufbereitschaft von Kund*innen zurück. Oxfam kritisierte die kurze Dauer des Versuchs und die Konkurrenz, die mit zeitgleichen Dumpingangeboten gezielt dagegen steuerte.[xii]

Der Supermarkt-Check-2019 zeigt, dass trotz Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr sowohl für internationale wie auch deutsche Discounter weiterhin ein großer Handlungsbedarf entlang ihrer Lieferketten sowie in Bezug auf ihre eigenen Geschäfts- und Handelspraktiken besteht. Dabei gibt es durchaus positive Ansätze und Entwicklungen. So haben sich beispielsweise die ebenso untersuchten niederländischen Supermarktketten Albert Heijn und Jumbo jüngst verpflichtet, ihre direkten Zulieferer offenzulegen.[xiii] Es bleibt zu hoffen, dass auch die restlichen Supermärkte zügig nachhaltige Anstrengungen unternehmen, um Produzenten, Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen bessere und vor allem faire Perspektiven zu bieten.

 

[i] Oxfam International (2018): „Ripe for Change: Ending Human Suffering In Supermarket Supply Chains.”, S. 9f.
[ii] Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Trotz Einzelner Fortschritte: Weiter Schlechte Noten Für Deutsche Supermärkte.“, S. 3
[iii] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 3
[iv] Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Trotz Einzelner Fortschritte: Weiter Schlechte Noten Für Deutsche Supermärkte.“, S. 7
[v] Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Trotz Einzelner Fortschritte: Weiter Schlechte Noten Für Deutsche Supermärkte.“, S. 6
[vi] Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Mangelhaft bei Menschenrechten.“ Pressemitteilung.
[vii] Oxfam Deutschland (2019): Oxfam Supermarkt-Check 2019 Punktevergabe.
Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Trotz Einzelner Fortschritte: Weiter Schlechte Noten Für Deutsche Supermärkte.“, S. 7 + 11
J Sainsbury’s plc (n.j.): “Managing Risk.”, S. 1
[viii] Oxfam Deutschland (2019): „Supermarkt-Check 2019: Trotz Einzelner Fortschritte: Weiter Schlechte Noten Für Deutsche Supermärkte.“, S. 7 – 9
[ix] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 7
[x] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 7 – 8
Oxfam Deutschland (2019): Oxfam Supermarkt-Check 2019 Punktevergabe.
[xi] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 7 + 9
[xii] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 11
Braßel, Frank (2019): „Lidl und die fairen Bananen“. Oxfam Deutschland.
[xiii] Oxfam Deutschland (2018): „Die Zeit Ist Reif: Leid Und Ausbeutung In Supermarktketten Beenden.“ Deutsche Kurzfassung, S. 10