Das Myanmar Dilemma

Nachdem die Kleidungs- und Textilindustrie in Bangladesch und Pakistan schon lange unter fehlenden ethischen und ökologischen Mindeststandards produziert  (( SOMO (2017): Garment brands contribute to low wages, long working hours, child labour and school dropouts in Bangladesh, 24. Januar; https://www.somo.nl/garment-brands-contribute-low-wages-long-working-hours-child-labour-school-dropouts-bangladesh/

SOMO (2016): The leathermen of Pakistan, 19. Dezember; https://www.somo.nl/the-leathermen-of-pakistan-story/

SOMO (2016): Health issues and low incomes threaten leather workers in Pakistan, 19. Dezember; https://www.somo.nl/health-issues-low-incomes-threaten-leather-workers-pakistan/ )), wächst auch die Produktion in Myanmar rasant an. Möglicherweise ist hier schon eine Verlagerung der Produktionsstandorte zu erkennen, die auf die erhöhte globale Aufmerksamkeit gründet, die der Textilindustrie in Bangladesch nach der Katastrophe von Rana Plaza (2013 stürzte ein Fabrikgebäude ein, mehr als 1100 Menschen wurden getötet) zukommt. Die sehr junge Demokratie Myanmar, die sich erst in den letzten Jahren aus den Zwängen der Militärherrschaft befreien konnte, ist auf Grund von niedrigen Löhnen und wenig Regulierung besonders attraktiv. Die Exporte nach Europa haben sich in 2015 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.

Das Centre for Research on Multinational Corporations (SOMO) hat nun einen Bericht vorgelegt, der die Bedingungen in zwölf Fabriken in Myanmar untersucht (( SOMO (2017): The Myanmar Dilemma. Can the garment industry deliver decent jobs for workers in Myanmar? 5. Februar; https://www.somo.nl/the-myanmar-dilemma/ )). Hierzu wurden mehr als 400 Arbeiter interviewt. Die Fabriken werden zum großen Teil von Konzernen aus anderen asiatischen Ländern geleitet und produzieren für zahlreiche internationale Modemarken, u.a. H&M, C&A und Primark.

Grundsätzlich gibt es in Myanmar einen gesetzlichen Mindestlohn von 2,48€ am Tag sowie ein Recht auf Tarifverhandlungen und soziale Absicherung. Der Mindestlohn wird jedoch oft umgangen, da er erst nach sechs Monaten verbindlich gezahlt werden muss und die Fabriken deshalb die meisten Arbeiter (mehr als 90% Frauen) nur noch als „Tagesarbeiter“ beschäftigen. Die Arbeiterinnen leben meist in Slums nahe den Fabriken, da die Wohnungspreise zu hoch sind. Ihre Löhne sind eng an Produktionsvorgaben gekoppelt: Wer nicht genug produziert, bekommt weniger Geld. Viele Arbeiter verzichten auf Essenspausen und Toilettengänge, um ihr Produktionsziel zu erreichen. Auch Krankheit – meist durch Überlastung oder schlechte Hygienestandards am Arbeitsplatz bedingt – führt zu Lohnminderung, da das benötigte ärztliches Attest nur mit enormem Zusatzaufwand und Mehrkosten zu bekommen ist. Verpflichtende und unbezahlte Überstunden sind keine Seltenheit. Auch werden in vielen Fabriken Kinder beschäftigt. Aus einem Interview geht hervor, dass die Kinder an Tagen, an denen Geschäftspartner in der Fabrik zu Besuch sind, zu Hause bleiben müssen. Zudem weisen die Fabriken massive Sicherheitslücken auf und die Arbeiter tragen gesundheitliche Schäden davon.

Die belieferten Firmen sind sich der Zustände teilweise bewusst, jedoch fehlen fundierte Kontrollmechanismen vor Ort, die die Rechte der ArbeiterInnen sicherstellen. Auch in Punkto Transparenz und Offenlegung haben die großen Modemarken noch erheblichen Nachholbedarf. Die myanmarische Regierung muss zudem die Einhaltung der unterschriebenen ILO-Standards durchsetzen sowie die verbliebenen Standards ratifizieren.

Doch auch die Herkunftsländer der Modemarken müssen sicherstellen, dass die nationalen Marken den gesamten Produktionsprozess kontrollieren und ethische und ökologische Mindeststandards in den Fabriken sicherstellen. Um die Arbeitsbedingungen von Millionen ArbeiterInnen in Myanmar zu verbessern, die täglich unter menschenunwürdigen Bedingungen die extreme Nachfrage nach billiger Kleidung aus Europa befriedigen, müssen von allen Seiten besser Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auch kritische Konsumenten können diesen Prozess weiter beschleunigen.

Mehr Informationen sowie den gesamten Bericht von SOMO „The Myanmar Dilemma“ finden Sie hier .