Commerzbank Hauptversammlung: Unsere Rede zu Bergbau und Plastik

Am 31.05.2023 lud die Commerzbank zur Hauptversammlung ein. Da die Bank es ablehnt, ihre Kundenbeziehungen zu kommentieren und im letzten Jahr einem Treffen mit vom Bergbau betroffenen Vertreter*innen lateinamerikanischer Gemeinden nicht zustimmte, haben wir die Gelegenheit genutzt und auf der Hauptversammlung einen Brief des ökumenischen Bergbaunetzwerks Iglesias y Minería (Kirchen und Bergbau) verlesen. Das lateinamerikanische Netzwerk begleitet und unterstützt Gemeinden, die unter den Auswirkungen von Bergbauaktivitäten leiden. Thema des Briefes: Die Finanzbeziehungen der Commerzbank zu dem britischen Bergbaukonzern Anglo American, dessen ausbeuterische Geschäftspraxis in Chile und Brasilien zu Wasserknappheit führt, die Forderung, die Geschäftsbeziehung zu beenden und die erneute Einladung zum Dialog.

Die Rede inklusive Brief, die wir dank des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre auf der Hauptversammlung halten durften, ist unten in voller Länge nachzulesen. Unseren Gegenantrag, den wir gemeinsam mit den kritischen Aktionärinnen und Aktionären sowie urgewald eingereicht haben, ist hier zu finden.

 

Die Besetzung eines Industriebeckens von Anglo American durch Bewohner*innen der Gemeinde El Melón. © Javier Aroyo Olea.

 

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Vanessa Müller. Ich bin stellvertretende Vorständin bei dem Verein Facing Finance.

Und ich darf hier heute wegen der freundlichen Übertragung der Stimmrechte durch den Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre sprechen. Vielen Dank auch dafür.

Ich möchte die Gunst der Stunde nutzen und zwei Themen- bzw. Frageblöcke einbringen. Im ersten Teil werde ich Ihnen einen Brief von dem südamerikanischen Kirchennetzwerk „Iglesias y Minería“ zum Thema der Finanzbeziehungen der Commerzbank mit dem Bergbauunternehmen Anglo American vorlesen. Anschließend werde ich dazu ein paar Fragen und Kommentierungen einbringen.

Und im zweiten Teil wird es um ein ganz anderes Thema gehen, nämlich um Einwegplastik. Vielleicht wissen Sie, dass im Moment die zweite Runde der Verhandlungen für ein internationales Plastikabkommen in Paris stattfindet. Und hier stellt sich eben die Frage, wie die Commerzbank
a) bisher darauf vorbereitet ist und b) die Rolle der Bank in der Finanzierung von Plastikkonzernen wegen denen wir ein solches Abkommen ja am Ende auch erst benötigen.

In diesem Sinne fange ich mit dem Brief an, den ich Ihnen nun vorlesen möchte und bitte um Ihre Aufmerksamkeit:

 

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

Wir sind Mitgliedsorganisationen von Iglesias y Minería, einem Netzwerk kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die in neun lateinamerikanischen Ländern Gemeinden begleiten, die durch den Bergbau in ihren Menschen- und Umweltrechten verletzt werden. Die vom Bergbau betroffenen Gemeinden, insbesondere im Globalen Süden, leiden täglich unter dem Schmerz und der Missachtung ihrer sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte. Wir schreiben Ihnen diesen Brief in dem Bewusstsein, dass der Finanzsektor eine Verantwortung dafür trägt, „nein zu sagen zu einer Wirtschaft der Ausgrenzung und Ungleichheit“, nein zu sagen zu einer Wirtschaft, die tötet, wie es Papst Franziskus formuliert hat.

 Der Bergbau ist weit davon entfernt, seiner gesellschaftlichen Verantwortung im Rahmen der ESG-Kriterien „Umwelt, Soziales und Governance“ gerecht zu werden. Heute prangern wir an, was wir in Minas Gerais in Brasilien und in dem Dorf El Melón in Chile gesehen, gehört und erlitten haben. Beide Orte leiden unter der Präsenz des Bergbauunternehmens Anglo American, das ihnen ihre grundlegendsten Rechte verweigert, wie z.B. das universelle Menschenrecht auf Wasser. Die Commerzbank steht in direkter Verbindung mit dem Unternehmen, da sie dieses in den letzten Jahren mit mehreren hundert Millionen Euro finanziert hat, wie wir u.a. in dem letztjährigen Dirty Profits Report zusammen mit Facing Finance aufgezeigt haben. Durch die finanzielle Unterstützung der Bergbauaktivitäten trägt die Commerzbank eine Mitverantwortung für die Geschehnisse in den Gemeinden, in denen das Bergbauunternehmen Rechtsverletzungen begeht. Die Finanzierung der Aktivitäten von Anglo American und die Dividenden des Bergbauunternehmens legitimieren ein Verhalten, das internationale Menschenrechts- und Umweltabkommen missachtet.

 Das Eisenerz-Bergwerk Minas-Rio von Anglo American betrifft z.B. drei Städte im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais. Straßenschilder, die vor der Gefahr eines Dammbruchs warnen, sind in der Region allgegenwärtig und erinnern die Menschen daran, dass die Anwesenheit des Bergbauunternehmens ihr Leben gefährdet. Die ländlichen Gemeinden in der Nähe der Minas-Rio-Mine von Anglo American wären direkt von einem Bruch des Rückhaltebeckens betroffen, wie es in Mariana und Brumadinho geschah, wo der Dammbruch des Bergbauunternehmens Vale in den Jahren 2015 und 2019 insgesamt 291 Menschen tötete (19 in Mariana und 272 in Brumadinho). Die Gemeindevorsteher der Stadt Conceição do Mato Dentro, in der die Mine Minas-Rio von Anglo American betrieben wird, beklagen mangelnde Beteiligung und dass die Forderungen der Gemeinden nicht gehört werden, z.B. wenn es um Umsiedlungen gehe. Anglo American leugne die Betroffenheit betroffener Gemeinden. Doch diese sind ohne Wasser und leben mit dem giftigen Staub, der durch die Explosionen des Bergbauunternehmens verursacht wird. Anführer*innen, die sich dem Bergbau widersetzen, werden bedroht und verfolgt und müssen sogar an Menschenrechtsschutzprogrammen teilnehmen.

 Die Geschichte wiederholt sich in vielen Gebieten, die von der Bergbauwirtschaft kolonisiert werden. In der Gemeinde El Melón in Chile, wo Anglo American die Kupfermine El Soldado betreibt, hat der Bergbau eine trockene und schmutzige Spur der Zerstörung hinterlassen. Das tägliche Leben einer Gemeinde, die seit jeher auf Land- und Viehwirtschaft basiert, wurde durch die Aktivitäten von Anglo American brutal gestört. Die Dürre, die durch den hohen Wasserverbrauch des Bergbauunternehmens verursacht wurde, hat die soziale, wirtschaftliche und politische Dynamik der Gemeinde in eine unwürdige Situation gebracht. Anglo American verbraucht 109 Liter Wasser pro Sekunde, während der Gemeinde nur 13,5 Liter pro Sekunde zur Verfügung stehen. Gilberto Castillo, ein Gemeindevorsteher, erklärt, dass die Menschen kein Wasser haben, um sich die Hände zu waschen, zu trinken oder ihre Großeltern zu waschen; dass sie gereinigtes Wasser kaufen müssen, um Krankheiten zu vermeiden; das die Bewohner*innen von El Melón durch die, auch von Studien bestätigte, Verseuchung und Verschmutzung des Grund- und Oberflächenwassers zu leiden haben, weil sie keinen ausreichenden, gerechten und dauerhaften Zugang zu der lebensnotwendigen Ressource Wasser haben.

Als kirchliche und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern wir die Commerzbank auf, ihre Finanzbeziehungen zu Anglo American einzustellen und sich für die Achtung der Menschenrechte und internationaler Verträge zu entscheiden. Die oben genannten Beispiele zeigen, wie Anglo American systematisch die Rechte der Gemeinden in El Melón und Minas-Rio verletzt. Wir fordern die Commerzbank zu einem neuen Umgang mit Bergbauunternehmen auf und laden Sie zu einem Dialog mit den Betroffenen ein. Dafür stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Vielen Dank.

 

Im Anschluss an den Brief von Iglesias y Minería würde ich gerne im Namen von Facing Finance ein paar Fragen stellen:

Wie bereits erwähnt, hat die Commerzbank in der Vergangenheit Anglo American mit hohen Summen finanziert. Als Verein haben wir sie u.a. im Rahmen des Fair Finance Guide mehrfach auf die unzureichenden menschenrechtlichen Finanzierungs- und Anlagerichtlinien hingewiesen, wobei insbesondere die notwendige Konsultation von finanzierten Unternehmen mit z.B. von Bergbau betroffenen Gemeinden seit vielen Jahren fehlt. Im Fall von Anglo American, wo viele Menschen nun wortwörtlich „auf dem Trockenen sitzen“, zeigt sich deutlich, warum das so notwendig ist.

In diesem Sinne, gibt es Pläne die Menschenrechtsrichtlinien der Bank zu stärken und wenn ja, wird etwa das international anerkannte FPIC-Prinzip – das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung von betroffenen Gemeinden – verankert werden?

Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass die Commerzbank im September letzten Jahres an der Emission eines „Sustainability-linked-bonds“, also einer an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelten Anleihe, von Anglo American beteiligt war, deren Ziel u.a. die Reduzierung des Frischwasserverbrauchs ist. Allerdings werden die Wassersparpläne von Anglo American u.a. in Chile von den Gemeinden immer wieder als unzureichend kritisiert, ja sogar als Mittel zur Lähmung von Protesten bzw. zur Aufrechterhaltung der Betriebskontinuität – sprich um weiter Wasser zu verbrauchen.

Wie also stellt die Commerzbank sicher bzw. hat sichergestellt, dass die nachhaltigkeitsbezogene Anleihe tatsächlich einen Mehrwert für die Menschen vor Ort und ihren Zugang zu Wasser bringt? Werden die betroffenen Gemeinden in diesen Prozessen gehört oder unterstützt die Commerzbank erneut blind Anglo American finanziell, ohne ausreichend auf die Interessen der betroffenen Gemeinden zu achten? Und, fordert die Commerzbank Anglo American zeitgleich auf, die betroffenen Menschen vor Ort für die ja bereits durch das Unternehmen entstanden Wasserkrisen zu entschädigen?

Gerne möchte ich noch ein weiteres Thema ansprechen: Plastik. Ich werde mit unseren Fragen beginnen. Wenn es die Zeit erlaubt, gestatten Sie mir darüberhinaus ein paar kurze Anmerkungen, Hintergründe finden Sie aber u.a. auch in unserem gemeinsamen Gegenantrag mit dem Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Im Kern wollen wir folgendes von Ihnen wissen:

  • Hat die Commerzbank begonnen, eine Finanzierungs- und Investitionsrichtlinie zum Thema Einwegplastik zu entwickeln? Und wenn ja, wann wird sie veröffentlicht? Und wird sie den gesamten Plastik-Lebenszyklus – also insbesondere inklusive Rohstoffgewinnung, Rohstoffverarbeitung, Produktherstellung und Verteilung – vollumfänglich berücksichtigen?
  • Wenn nein, warum hat das Thema Einwegplastik trotz der damit einerseits verbundenen klimatischen, ökologischen und sozialen Belastungen sowie dem andererseits wachsenden Risiko für „Stranded Assets“ keine Priorität für die Commerzbank?

Wenn Sie mir erlauben, dazu der Hinweis, dass schon jetzt Plastik nicht nur in der EU, sondern in vielen Ländern der Welt immer stärker reguliert wird. Und Sie wissen es, nehme ich an, dass in diesem Moment 175 Staaten an einem Tisch in Paris sitzen, um über die Details eines rechtlich verbindlichen Plastikabkommens zu verhandeln. Dabei steht auch die Frage einer Obergrenze für die Produktion von Plastik auf der Agenda.

Plastik, das hat einen schlechten Ruf, die Politik ist dabei, die Plastikflut einzudämmen, die Nachfrage, die wird sinken – Geld das die Commerzbank jetzt z.B. in neue Anlagen zur Plastikproduktion steckt, ist daher schlecht investiertes Geld. Die Vermögenswerte drohen langfristig wertlos zu werden.

Deshalb der Appell: Wagen sie es, nicht zuletzt im Interesse ihrer Aktionär*innen, kunststoffintensiven und kunststoffabhängigen Unternehmen klarzumachen, dass es so nicht weitergehen kann. Finanzieren Sie in die Zukunft, in echte Lösungen und Mehrwegsysteme.

Ich danke Ihnen.