Besinnlichkeit im Plastikgewand

Wenn an Weihnachten die Geschenke unter dem Baum liegen, dürfen sich viele über neue Kleidung freuen: Die Jeans, die letztens im Schaufenster gesichtet wurde, die Ski-Jacke für den anstehenden Urlaub oder der schöne Kord-Hosenanzug für Silvester. Schön mag die Mode zwar sein, die Produktion ist dagegen oft weniger ansehnlich: Massenhaft, billig und schnell produziert – oftmals von der sogenannten Fast-Fashion-Industrie.

Wir produzieren immer mehr Mode. Während wir zu Beginn des 21. Jahrhunderts 50 Milliarden Kleidungsstücke pro Jahr herstellten, liegt die Produktzahl nun bei 100 Milliarden(1). In Deutschland kauft beispielsweise statistisch gesehen jede*r über 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr – von denen 40 Prozent kaum oder nie getragen werden(2). Dieses Konsumverhalten führt zu einem riesigen Berg Textilmüll, in dem Unmengen von Plastikabfälle stecken, weil über 60 Prozent der in der Textilproduktion verwendeten Fasern synthetisch sind(3). Allein Polyester, die am meisten verwendete Faser in der Textilindustrie, ist in 52 Prozent aller Kleidungsstücke enthalten(4).

Nahezu alle synthetischen Fasern, die in der Textilindustrie genutzt werden, werden aus fossilen Brennstoffen hergestellt. Ein Sektor, der zu den klima- und umweltschädlichsten überhaupt gehört. Ganze 15 Prozent der globalen Plastikproduktion ist auf Textilien zurückzuführen(5).

Dadurch verschmutzt unsere Kleidung bei jeder Wäsche unsere Umwelt weiter mit Plastik. Kleidungsstücke verlieren tausende Fasern bei jedem Waschgang. Dieser Abrieb ist so immens, dass mittlerweile 35 Prozent des Mikroplastiks in den Weltmeeren von Textilien stammen (6). Das wiederum nehmen wir über unsere Nahrung wieder auf, wie Stuhlproben zeigen (7). Die Auswirkungen von Mikroplastik auf den menschlichen Körper und die Umwelt sind noch nicht abschließend erforscht; schon jetzt lassen sich aber die massiv negativen gesundheitlichen Auswirkungen, wie beispielsweise Entzündungen im Körper, erahnen(8).

Am Ende landet das Kleidungsstück meist auf dem Müll. Für die EU geht der Forschungsdienst Cordis der Europäischen Kommission von jährlich bis zu 16 Millionen Tonnen Textilmüll aus(9). In den USA fallen fast 17 Millionen Tonnen Textilmüll an, von denen gerade einmal 2,5 Millionen Tonnen bzw. 15 Prozent recycelt werden(10).

Um das Plastikproblem zu lösen, muss die Textilindustrie selbst umdenken. Trotzdem schadet es nicht, wenn auch wir uns zweimal zu überlegen, ob der neue Schal oder die Bluse wirklich benötigt wird.

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Mehr Informationen zu der Textilindustrie und Plastik gibt es ab S. 65 in unserem Dirty Profits Report 8.

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Dies ist der dritte Teil unserer alternativen Weihnachtreihe. Bitte unterstützt uns mit Eurer Spende damit wir auch weiterhin gemeinsam von Konzernen und Banken mehr Verantwortung einfordern können. Danke!

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(1) NDR Markt (21.09.2020): „Wegwerfmode: Was passiert mit Altkleidern?“ Abgerufen am 20.12.2022: https://www.ndr.de/ratgeber/ verbraucher/Wegwerfmode-Was-passiert-mit- Altkleidern,kleidung170.html

(2) Remy, Nathalie / Speelman, Eveline / Swartz, Steven (20.10.2016): „Style that’s sustainable: A new fast-fashion formula.” New York: McKin- sey & Company. Abgerufen am 20.12.2022: https://www.mckinsey.com/business-func- tions/sustainability/our-insights/style-thats- sustainable-a-new-fast-fashion-formula# Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (13.01.2020): „Mode und Textilien.“ Abgerufen am 20.12.2022: https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-pro- dukte-ressourcen-tourismus/produkte-und- konsum/produktbereiche/mode-und-textilien/

(3) Resnick, Brian (11.01.2019): „More than ever, our clothes are made of plastic. Just washing them can pollute the oceans.” Washington, DC. Abgerufen am 20.12.2022: https://www.vox. com/the-goods/2018/9/19/17800654/clothes- plastic-pollution-polyester-washing-machine

(4) BizVibe (23.06.2020): „Global Synthetic Fibres Industry Factsheet 2020: Top 10 Synthetic Fiber Manufactures in the World.” Abgerufen am 20.12.2022: https://www.bizvibe.com/ blog/textiles-and-garments/top-10-synthetic- fiber-manufacturers/

(5) Heinrich-Böll-Stiftung / Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (2019): „Plastikatlas: Daten und Fakten über eine Welt voller Kunst- stoff.“ [3. Auflage]. Berlin: S. 22.

(6) UN Environment Programme (12.11.2018): „Putting the brakes on fast fashion.” Abgerufen am 20.10.2022: https://www.unenvironment. org/news-and-stories/story/putting-brakes- fast-fashion

(7) Baker, Sam (22.10.2018): „Alarm im Darm: Erstmals Mikroplastik im Menschen nachge- wiesen.“ In: DW, abgerufen am 20.12.2022: https://www.dw.com/de/alarm-im-darm- erstmals-mikroplastik-im-menschen-nachge- wiesen/a-45961356

(8) Heinrich-Böll-Stiftung / Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (2019): „Plastikatlas: Daten und Fakten über eine Welt voller Kunst- stoff.“ [3. Auflage]. Berlin: S. 22f.

(9) Informationsdienst der Gemeinschaft für Forschung und Entwicklung (CORDIS) (18.11.2019): „Gebrauchte Textilien dienen jetzt als Rohstoff für die chemische und Textilindustrie.“ Abgerufen am 20.12.2022: https://cordis.europa.eu/article/id/411525- discarded-textile-now-a-raw-material-for-the- chemical-and-textile-industries/de

(10) United States Environmental Protection Agency (n.d.): „Textiles: Material-Specific Data.” Abgerufen am 20.12.2022: https://www.epa.gov/facts-and-figures-about- materials-waste-and-recycling/textiles-mate- rial-specific-data