In wie weit sind Finanzinstitute an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig, wenn sie Firmen finanzieren, welche die allgemeinen Menschenrechte nicht achten? Diese Frage beantworten die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte seit dem Jahr 2011 genau.
Trotz dieser klaren Verankerung von Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Finanzinstituten zur Verhütung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen, versuchen Bankkonzerne sich ihrer Verantwortung weiterhin zu entziehen. ((https://www.publiceye.ch/de/news/zurueckrudern_in_thun/))
Anfang dieses Jahres veröffentlichte die informell tätige Thun-Bankengruppe, bestehend aus UBS, Credit Suisse, Barclays, BBVA, BNP Paribas, Deutsche Bank, ING, RBS, Standard Chartered, UniCredit sowie J. P. Morgan ein Positionspapier zum Verständnis und Umfang des Artikel 13 der UN-Leitprinzipien. Darin schlossen die Bankkonzerne eine menschenrechtliche Verantwortung weitgehend aus. ((https://www.publiceye.ch/de/news/banken_und_menschenrechte_showdown_in_thun/)) Dabei heißt es in Artikel 13(b):
„Die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten, erfordert, dass Wirtschaftsunternehmen […] bemüht sind, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhüten oder zu mindern, die auf Grund einer Geschäftsbeziehung mit ihrer Geschäftstätigkeit, ihren Produkten oder Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind, selbst wenn sie nicht zu diesen Auswirkungen beitragen.“ (( https://www.globalcompact.de/wAssets/docs/Menschenrechte/Publikationen/
leitprinzipien_fuer_wirtschaft_und_menschenrechte.pdf ))
Gemäß der Thun-Gruppe können Banken weder Menschenrechtsverletzungen verursachen noch dazu beitragen, wenn diese auf Kundenaktivitäten zurückzuführen sind. Auf diese Weise entledigen sich die Institute ihrer Verantwortung und der Pflicht zur Wiedergutmachung. ((https://www.publiceye.ch/de/news/banken_und_menschenrechte_showdown_in_thun/)) Dabei besteht zweifelsohne eine Beteiligung, wenn Banken Menschenrechtsverletzungen finanzieren und langfristig ermöglichen. Die Umsiedlung großer Personengruppen oder die Verschärfung von Wasserkonflikten wie etwa im Falle des Baus des Ilisu-Staudamms in der Türkei ist hier zu nennen. Solche Unterfangen werden erst durch Kreditgeber und Investoren möglich und die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt sind vorab bekannt. ((Baer, Mark (2017): „UNO-Spitzenmann greift Schweizer Banken an“. Erschienen in SonntagsZeitung am 18. Juni 2017))
Dementsprechend reagierte der ehemalige UN-Generalsekretär, UN-Sonderbeauftragte und Verfasser der UN-Leitprinzipien John Ruggie empört auf den Versuch der Banken, die Prinzipien nach Belieben auszulegen. In einem Brief an UBS schrieb er „Die UNO-Leitprinzipien sind nicht eine Art Rorschach-Test, in die jedermann hineininterpretieren kann, was ihm gefällt.“ ((https://www.publiceye.ch/de/news/banken_und_menschenrechte_showdown_in_thun/))
Auch das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hat am 13. Juni 2017 in einem Antwortschreiben an die internationale Nichtregierungsorganisation BankTrack Stellung zum Bankensektor im Rahmen der UN-Leitprinzipien genommen. Die Interpretation der Thun-Gruppe, als Bank prinzipiell nicht unter die UN-Leitprinzipien zu fallen, da sie weder „verursachen“ noch zu Menschenrechtsverletzungen „beitragen“, wurde dabei zurückgewiesen. ((https://www.publiceye.ch/fileadmin/files/documents/Bankenund
Menschenrechte/Letter_from_OHCHR_to_BankTrack_on_application
_of_the_UN_Guiding_Principles_in_the_banking_sector.pdf)) Das OHCHR schreibt dazu:
“The UNGPs apply to all business enterprises, including commercial banks and other entities in the financial sector, regardless of “size, sector, operational context, ownership and structure”. Equally, they apply to any company or commercial vehicle from any other sector that may be a client of, or enter into a business relationship with, a bank.” ((https://www.publiceye.ch/fileadmin/files/documents/Bankenund
Menschenrechte/Letter_from_OHCHR_to_BankTrack_on_application
_of_the_UN_Guiding_Principles_in_the_banking_sector.pdf))
Im Juni dieses Jahres traf sich die Thun-Bankengruppe mit Regierungsvertretern, UN –und OECD-Experten sowie Nichtregierungsorganisationen, um das vorgebrachte Papier zu besprechen. ((Baer, Mark (2017): „UNO-Spitzenmann greift Schweizer Banken an“. Erschienen in SonntagsZeitung am 18. Juni 2017)) Die anhaltende Kritik hat Wirkung gezeigt. Wie Vertreter der NGO PublicEye berichten, relativierten die Finanzinstitute ihre Aussagen. ((https://www.publiceye.ch/de/news/zurueckrudern_in_thun/)) Wünschenswert wäre nun auch ein schriftliches Bekenntnis der Thun-Gruppe, in dem sie sich zu ihrer menschenrechtlichen Verantwortung bekennen und Strategien vorschlagen, wie sie die UN-Leitprinzipien in Zukunft gezielt in ihre Unternehmenspolitik aufnehmen.