Altes Problem in neuen Kanälen – Glencore in der Demokratischen Republik Kongo

Dieser Bericht ist Teil unserer ehemaligen „Harmful Cases“ Dokumentation, bei der wir kontinuierlich und kurz & knapp Vorfälle von Menschenrechtsverletzungen, Völkerrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung in Unternehmen aufgezeichnet haben.

Mitte Juni 2014 veröffentlichte die Schweizer Organisation „Brot für Alle“ in Zusammenarbeit mit „Fastenopfer“ und „Rights and Accountability in Development“ (RAID) die dritte Studie rund um die Minen des Unternehmens Glencore in der Demokratischen Republik Kongo, mit dem Titel „PR or Progress? Glencore’s Corporate Responsibility in the Democratic Republic of the Congo“. Gleichzeitig diskutiert der UN-Menschenrechtsrat über global verbindliche Standards zur Wahrung der Menschenrechte und der Sicherstellung von nachhaltigem Wirtschaften durch multinationale Konzerne.

Die Autoren betonen eingangs, dass diese Studie sich diametral von bisherigen Publikationen unterscheide, da es zum ersten Mal möglich gewesen sei, die Minen vor Ort zu besichtigen und Interviews mit Mitarbeitern und Managern zu führen. Bei bisherigen Recherchen sei dies nicht möglich gewesen. (( Brot für Alle: PR or Progress? Glencore’s Corporate Responsibility in the Democratic Republic of the Congo; verfügbar unter:

http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Glencore/BFA-FO-RAID_Glencore_Study_June_2014.pdf;  überprüft am 14.08.2014 ))

Die Studie verweist darauf, dass Glencore nach dem Abschluss der Fusion mit Xstrata im Jahre 2013 weitreichende strukturelle Veränderungen in die Wege geleitet habe, die auch das Thema Nachhaltigkeit beträfen. In folgenden Bereichen sollten gruppenweite Richtlinien erarbeitet werden:

  1. Umweltmanagement
  2. Achtung von Menschenrechten
  3. Umgang mit lokalen Gemeinden und weiteren Interessensgruppen

Damit einher ging auch eine Öffnung des Unternehmens in Richtung Medien und Nichtregierungsorganisationen, um den schlechten Ruf des Unternehmens zu korrigieren. (( Brot für Alle: PR or Progress? Glencore’s Corporate Responsibility in the Democratic Republic of the Congo; verfügbar unter:

http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Glencore/Executive_summary_final_d.pdf;  überprüft am 14.08.2014 ))

Glencore gab sich auch real quantifizierbare Ziele, wie z.B. die Minimierung von Arbeitsunfällen mit Todesfolge. Im Jahr 2012 hatten sich 22 solcher Unfälle ereignet. (( Glencore : Annual Report 2012; verfügbar unter:

http://www.glencore.com/assets/Uploads/reports_and_results/glencore/2012/GLEN-Annual-Report-2012.pdf;  überprüft am 14.08.2014 ))

Allerdings musste das Unternehmen in seinem Jahresbericht 2013 (( Glencore : Annual Report 2013; verfügbar unter:

http://www.glencore.com/assets/Uploads/reports_and_results/glencore/2013/GLEN-2013-Annual-Report.pdf;  überprüft am 14.08.2014 )) von 26 Arbeitsunfällen mit Todesfolge berichten.

Der Konzern kündigte 2013 an, die Freiwilligen Grundsätze für Sicherheit und Menschenrechte für Rohstoffunternehmen (Voluntary Principles on Security and Human Rights) übernehmen zu wollen und schloss sich im Mai 2014 dem International Council on Mining and Metals (ICMM) an.

Die aktuelle Studie von Brot für Alle stellt nicht in Abrede, dass entsprechende Schritte unternommen wurden, „Fragen bleiben jedoch in Bezug auf die Fähigkeit und die Entschlossenheit, diese wirksam im täglichen Arbeitsbetrieb seiner Minen und Werke umzusetzen.“ (Brot für Alle, Seite 3)

Als Beispiel für den Umgang des Unternehmens mit umweltrelevanten Aspekten soll an dieser Stelle die Verschmutzung des Luilu Flusses in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) beschrieben werden.

Im Gegensatz zu den meisten Ländern in Afrika und vor allem der Sub-Sahara Region ist die DRK verhältnismäßig reich an Wasservorkommen. Gemäß dem vorliegenden Bericht liegen 52% der gesamten afrikanischen überirdischen Trinkwasservorkommen in der DRK.

Diese sind allerdings in Folge der exzessiven Industrieabfallbeseitigung sehr häufig verschmutzt. Aus diesem Grund muss die einheimische Bevölkerung für die Trinkwasserversorgung teilweise Wege von bis zu 10 Kilometern auf sich nehmen.

Im April 2012 machte eine Studie von Brot für Alle und Fastenopfer bekannt, dass das Wasser des Luilu-Flusses einen pH-Wert von 1,9 und damit einen sehr hohen Säuregehalt aufwies. Aber auch der Blei-, Kobalt-, Kupfer-, Nickel- und Zinkgehalt überschritt die gesetzlichen Höchstwerte der Demokratischen Republik Kongo bei weitem. (( Brot für Alle: GLENCORE IN DER DEMOKRATISCHEN REPUBLIK KONGO: EIN BUSINESS AUF KOSTEN VON MENSCHENRECHTEN UND UMWELT; verfügbar unter:

http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/120413_Executive_summary_Glencore_def.pdf;  überprüft am 18.08.2014 ))

Gemäß dem Bericht waren dies die Folgen der Geschäftstätigkeit der Kamoto Copper Company (KCC), die seit 2008 unter der operativen Führung von Glencore steht. KCC betreibt in unmittelbarer Nähe des Luilu-Flusses eine hydrometallurgische Aufbereitungsanlage, welche Kupfer-Kathoden produziert und durch den Herstellungsprozess schwer kontaminiertes Wasser unbehandelt in den Fluss zurückleitete.

Parallel zur Veröffentlichung des Berichts brachte auch das Unternehmen eine Stellungnahme heraus, bei der es einerseits die Problematik anerkannte und den Einbau einer komplexen Pumpenanlage ankündigte, um das Wasser in ein separates Becken zu leiten. Andererseits berief sich Glencore auf den Umstand, dass nicht nur KCC´s juristischer Vorgänger, die Gécamines, bereits kontaminiertes Wasser aus dem Produktionsprozess in den Fluss geleitet habe, sondern dass es viel mehr seit 50 Jahren gängige Unternehmenspraxis in der DRK sei, unbehandeltes kontaminiertes Wasser wieder in die Flüsse zu leiten.

Noch im April des Jahres 2012 verschickte Glencore äußerst medienwirksam Bilder, die belegen sollten, dass der entsprechende Kanal trockengelegt sei und kein kontaminiertes Wasser mehr in den Fluss abgeleitet werde.

Recherchen für die nun vorliegende Studie von Brot für Alle förderten im Oktober des Jahres 2013 allerdings andere Erkenntnisse zu Tage. Es zeigte sich vielmehr, dass das Unternehmen lediglich einen anderen Abfluss nutzte, um Wasser aus der Industrieproduktion über einen Kanal in den Luilu- und Pingiri-Fluss abzuleiten. Entsprechende Sediment- und Wasserproben belegten, dass die Belastung des Wassers insgesamt zwar rückläufig sei, jedoch war der festgestellte Kupfer bzw. Kobalt Gehalt des Wassers sehr hoch.

Eine weitere Analyse wurde zwischen Januar und März des Jahres 2014 durchgeführt, da das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt zwei Auffangbecken vor der Produktionsanlage in Betrieb nahm. Das kontaminierte Wasser wird nun erst in diese Becken geleitet, bevor es im weiteren Verlauf über kleine Kanäle und Flussarme in den Luilu-Fluss gelangt.

Die toxikologischen Befunde dieser Proben waren für Kupfer und Kobalt zwar erneut rückläufig, allerdings lagen sie weiterhin über den gesetzlich zulässigen Höchstwerten, die das Bergwerksgesetz der DRK vorsieht. (( Brot für Alle: PR or Progress? Glencore’s Corporate Responsibility in the Democratic Republic of the Congo; verfügbar unter:

http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Glencore/Executive_summary_final_d.pdf;  überprüft am 18.08.2014 ))

Bereits im Oktober des Jahres 2013 behaupteten Unternehmensvertreter von Glencore in Interviews für die vorliegende Studie, dass das für den Produktionsprozess entnommene Wasser in einen geschlossenen Kreislauf fließe und dann entweder erneut verwendet oder in ein geschlossenes Staubecken abgeleitet werde. Außerdem verwiesen die Verantwortlichen auf die Aktivitäten von anderen Minen, die rund um das Gebiet angesiedelt seien.

Satellitenbilder und eigene Recherchen der Autoren vor Ort belegen jedoch, dass es kein anderes Unternehmen gibt, das die Kanäle und Flussarme an dieser Stelle für seine Abwasserbeseitigung nutzt.

Den Ergebnissen der letzten Wasser- und Sedimentproben widersprachen die Verantwortlichen von Glencore mit dem Einwand, dass unternehmenseigene Kontrollsysteme der Wasserqualität keinerlei Hinweise auf eine zu hohe Konzentration von Giftstoffen im Abwasser gegeben hätten. Das Unternehmen verwies auf die maximal zulässigen Werte, die im nationalen Bergwerksgesetz verankert seien und berief sich erneut auf die Tatsache, dass andere Unternehmen an der Verschmutzung des Luilu-Flusses maßgeblich beteiligt seien. (( Brot für Alle: PR or Progress? Glencore’s Corporate Responsibility in the Democratic Republic of the Congo; verfügbar unter:

http://www.brotfueralle.ch/fileadmin/deutsch/2_Entwicklungpolitik_allgemein/C_Wirtschaft%20und%20MR/Landgrab/2014_Glencore/Executive_summary_final_d.pdf;  überprüft am 18.08.2014 ))

Zu fast demselben Zeitpunkt wurde dieses Thema viele Tausend Kilometer entfernt ebenfalls stark diskutiert – vor dem Permanenten Völkerrechtstribunal in Genf. Diese Institution, deren Arbeit oft nicht ins Licht der Öffentlichkeit rückt, befasst sich seit 1979 mit systematischen Verstößen gegen die Menschenrechte. Im Vordergrund stehen dabei Fälle, bei denen gegen geltendes internationales Recht verstoßen wird bzw. bei denen die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen, um die Bevölkerung zu schützen. Diese Institution, die von Lelio Basso ins Leben gerufen wurde, stellt ihre Erkenntnisse internationalen Gremien, wie z. B. dem UN Menschenrechtsrat, zur Verfügung. (( Lelio and Lesli Basso Foundation: Introduction; verfügbar unter:

http://www.internazionaleleliobasso.it/?page_id=207&lang=enf;  überprüft am 18.08.2014 ))

Im Rahmen der Anhörung am 23. Juni 2014 sollten sich Vertreter aus Regionen äußern, die durch den Einfluss von Multinationalen Konzernen geschädigt wurden.

Die Liste der beschuldigten Unternehmen umfasst einige Bluechips aus der ganzen Welt. So musste sich an der Stelle nicht nur Glencore für seine Verfehlungen in der DRK oder auf den Philippinen verantworten, sondern auch Öl-Multis wie Chevron (Amazonas) und Shell (Nigeria). (( Stop Corporate Impunity: International Jury Rules in Favour of Binding Laws for Transnational Corporations; verfügbar unter: http://www.stopcorporateimpunity.org/?p=5829;  überprüft am 18.08.2014 ))

Diese Fälle zeigen klar die Grenzen von freiwilligen Verpflichtungen wie z.B. dem Global Compact oder der Berufung auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf. Es gibt keine zentralen Instanzen, die gegen Verstöße ermitteln oder gar Sanktionen aussprechen könnten, die eine einheitliche Bestrafung der betroffenen Unternehmen ermöglichen würden.

So empfahl die Jury des Permanenten Völkerrechtstribunals dem UN-Menschrechtsrat dann auch eine Abkehr von der „Politik der Freiwilligen Verpflichtungen“ und die Annahme von verbindlichen Normen für Unternehmen – wie sie derzeit auch unter Federführung von Ecuador im UN-Menschenrechtsrat diskutiert wird.