Nachhaltige Investments der DWS – Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie diesen Artikel und befragen Sie die BaFin oder das BKA

Deutsche Bank Twin Towers s/w

Fast ein Jahr ist es her, dass die geschasste ehemalige ESG-Chefin der DWS, Desiree Fixler, die Qualität von nachhaltigen Investments der DWS öffentlich beanstandet hat. Der genaue Vorwurf: Der Vermögensverwalter gehe zu nachlässig mit ESG-Kriterien und Bewertung von Geldanlagen um. In einem vielbeachteten Artikel von The Wall Street Journal kritisierte Fixler die Deutsche Bank in ihrer Behauptung, dass bereits 2020 die Hälfte des Anlagevermögens der DWS – rund 459 Mrd. Euro – einer ESG-Integration unterlaufen sei.  Dies sei eine systematische Übertreibung des Umfangs ihres Engagements in nachhaltigen Investments, auch genannt Greenwashing. Fixler hatte sich im Sommer 2021 diesbezüglich an die US-Börsenaufsicht SEC sowie die amerikanische Bundespolizei FBI gewandt, woraufhin diese die Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrug aufnahmen.[1][2]

Die Greenwashing-Vorwürfe haben Anfang des Jahres 2022 auch die Frankfurter Staatsanwaltschaft dazu veranlasst, die Ermittlungen aufzunehmen. Dabei berufen sich die Behörden auf eine ehemals angestellte Person des Unternehmen, die bereits zuvor als Whistleblowerin Informationen an die US-amerikanischen Behörden gab.[3] Der Verdacht liegt also nahe, dass auch hier die ehemalige Nachhaltigkeitschefin ausschlaggebend für die Untersuchungen ist. Der Vorwurf des Prospektbetrugs richtet sich bislang gegen unbekannte Verantwortliche der DWS, sorgt aber bereits nachhaltig für Furore. Am Morgen des 31. Mai 2022 durchsuchten circa 50 Einsatzkräfte von Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht BaFin und Bundeskriminalamt die Büros der Deutschen Bank sowie ihrer Tochterfirma DWS in Frankfurt.[4] Noch in der Nacht nach der Razzia erklärt der bisherige CEO der DWS Group, Asoka Wöhrmann seinen Rücktritt. Nach der Hauptversammlung am 09. Juni 2022 wird er durch Stefan Hoops ersetzt. Hoops gilt als Vertrauter des Konzernchefs Christian Sewing und muss seine Kapitalmarktexpertise nun dazu nutzen, Compliance-Probleme zu lösen und den Vorwurf des Prospektbetrugs auszuräumen.[5][6]

Schon vor den Ermittlungen kritisierte unser Verbraucher*innenportal Faire Fonds den grünen Anstrich einiger DWS Fonds. Seit 2020 analysiert das von Facing Finance und urgewald bereitgestellte Portal die Portfolios unterschiedlicher Publikumsfonds auf kontroverse Geschäftspraktiken. Unsere Analysen zeigen dabei erhebliche Mängel bei der Beachtung von sozial-ökologischen Kriterien auf. Die alarmierenden Ergebnisse des jüngsten Updates der Datenbank wurden unter anderem von der Financial Times aufgegriffen [7]: Von den untersuchten Publikumsfonds mit ESG-Label sind mehr als 40% in Rüstungsunternehmen investiert und nur weniger als 10% gänzlich frei von kontroversen Investitionen. Mit Verweis auf Faire Fonds hatte die tagesschau bereits im Dezember 2021 über Greenwashing-Verdacht bei Geldanlagen berichtet.[8] Besonders betroffen: Fonds der DWS. Der ESG-gelabelte Indexfonds Xtrackers MSCI Europe Energy ESG Screened ETF der DWS beispielsweise ist zu 88,97% des Fondsvolumens in kontroverse Unternehmen investiert. Ein Viertel jenes Fondsvolumens ist in TotalEnergies investiert (Stichtag: 31.03.2022), einem Unternehmen, das nicht nur weiter auf Öl und Gas setzt, sondern auch für erhebliche Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Der Nachhaltigkeitsfonds klassifiziert sich selbst als „Artikel 8“-Fonds nach der EU-Verordnung 2019/2088 (Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor).

Von den insgesamt 137 untersuchten Fonds mit ESG-Label, die von der DWS verwaltet werden, sind ganze 123 in belastete Titel  investiert. Beispielhaft sei hier der Xtrackers MSCI Europe Materials ESG Screened ETF1C erwähnt. Trotz ESG-Screening sind mit Rio Tinto, Glencore und HeidelbergCement drei Firmen im Portfolio des Fonds, welche zu den weltweit größten Kohlenstoffdioxid-Emittenten gehören und für großflächige Umweltzerstörung sowie Menschenrechtsverletzungen im Globalen Süden verantwortlich sind. Alleine diese drei Unternehmen machen mit mehr als 15 Mio. Euro investiertem Kapital fast ein Viertel des gesamten Fondsvolumen aus (Stichtag: 31.03.2022). Rio Tinto taucht mit seinen öffentlichen Kontroversen regelmäßig in unseren Veröffentlichungen auf und steht wie der Rohstoffhändler Glencore regelmäßig in der Kritik. Glencore wurde einer größeren Öffentlichkeit im Jahr 2017 mit Veröffentlichung der Paradise Papers bekannt, bei der es um Korruptionsvorwürfe um die kongolesische Katanga-Mine ging.[9] Der Rohstoffkonzern ist auch weiterhin in der Demokratischen Republik Kongo präsent. HeidelbergCement ist über die Tochterfirmen PT Semen und PT Sahabat Mulia Sakti trotz andauernder Proteste der lokalen Bevölkerung an der Zerstörung des Kendeng-Karstgebirges auf Java beteiligt. Die besorgniserregenden Geschäftspraktiken von Glencore im Kongo und HeidelbergCement in Indonesien werden in unserem neuesten Dirty Profits 9-Bericht „How much pain for Corporate Gain?“ detailliert beleuchtet.

Ein weiteres belastendes Beispiel für die Diskrepanz zwischen grünem Marketing-Anstrich und nachhaltiger Realität zeigt der von der DWS verwaltete Mischfonds mit dem vielversprechenden Namen ARERO – Der Weltfonds – Nachhaltig. In jenem Fonds befinden sich, wenn auch mit jeweils vergleichsweise geringer Investitionssumme, sage und schreibe 181 unterschiedliche Titel kontroverser Unternehmen, darunter Amazon, Nike, Nestlé, Procter & Gamble, ExxonMobil, Unilever, Glencore, TotalEnergies, Pepsi und Apple. Diese explizit mit dem Begriff nachhaltig werbende Geldanlage ist also von Konzernen durchsetzt, die weltweit für Negativschlagzeilen in den Bereichen Menschenrechte, Umweltzerstörung, Klimawandel, Arbeitsrechte und Plastikverschmutzung sorgen.

An diesen Zahlen zeigt sich die grundlegende Problematik von ESG-gelabelten Fonds. Während die Gesamtsumme mit 1,337 Billionen Euro an investiertem Kapital in Nachhaltigkeitsfonds europäischer Vermögensverwalter einen neuen Höchststand erreicht,[10] wird heftig darüber debattiert, was nachhaltige Investitionen überhaupt sind und was ESG-Labels eigentlich aussagen. Elon Musk geriet im Mai dieses Jahres regelrecht in Rage als sein Automobilkonzern Tesla nicht in den Top10 ESG Unternehmen des S&P 500 aufgeführt wurde und bezeichnete ESG via Twitter als Betrug und das inkarnierte Böse.[11] Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde das Thema in Folge konservativen Backlashs als „Woke Capitalism“ polarisierend diskreditiert: Die vollumfängliche Integration von ESG-Kriterien in alle Geschäftsbereiche sei linke Agenda; heißt: Unternehmen, die nicht ausschließlich für die reine Profitmaximierung wirtschaften, vermischten politische Gutmenschen-Moral mit Business.[12] Doch auch abgesehen von populistischen Erregungen reichweitenstarker Unternehmer*innen gibt es begründete Kritik an ESG-Labels und den undurchsichtigen Kriterien von Nachhaltigkeits-Ratingagenturen.[13] ESG steht auf der Kippe, zu einem völlig bedeutungslosen Kürzel zu werden, wenn die großen Investmentbanken und Ratingagenturen ihre eigenen, nicht objektiv vergleichbaren Nachhaltigkeitsbedingungen definieren. In der Praxis bedeutet das, dass der Energiefonds der DWS beispielsweise über Ausschluss von Rüstung und Tabak das Prädikat „nachhaltig“ bekommen kann, wenngleich fast ausschließlich in fossile Energien investiert wird. So sieht es die EU-Offenlegungsverordnung mit Artikel 8-Fonds vor, wonach soziale oder ökologische Aspekte bei der Auswahl von Anlagekriterien berücksichtigt werden müssen, aber kein explizites Nachhaltigkeitsziel verfolgt werden muss. Diese Fonds können sodann als ESG-Fonds beworben werden, was dazu führt, dass Nachhaltigkeitsfonds als reines Marketinginstrument der Finanzindustrie wahrgenommen werden.

Aus Sicht von Verbraucher*innen ist dieses Verfahren schwer nachvollziehbar, weshalb an den EU-Regularien kräftig nachgearbeitet werden muss. Zum Beginn des Jahres 2022 wurde ein neues Regelwerk eingeführt, die EU-Taxonomie zu nachhaltigen Investitionen, welche ein Klassifikationssystem in die EU-Offenlegungsverordnung integriert. Doch auch hier gehen die Vorgaben nicht ausreichend weit. Nach wie vor offen ist die Frage, wie Energieträger wie Gas- und Atomkraft bewertet werden. Ebenso versucht die Rüstungslobby, ihre Branche als Garant für gesellschaftliche Sicherheit darzustellen, als würde sie für soziale Nachhaltigkeit sorgen, was angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht mehr komplett absurd scheint. Im besten Fall müssten sich sowohl die US-Börsenaufsicht SEC als auch die EU abstimmen, welche ökologischen und sozialen Folgen als nachhaltig gelten und welche der Idee per se entgegen stehen. Es ist eben eine Frage der Aushandlung, ob Atomkraft, trotz unabsehbarer Folgen durch radioaktiven Abfall, wegen ihrer im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern eher geringen CO2-Bilanz als zukunftsträchtig gelten kann. Leider haben sich bei diesen Debatten in der Vergangenheit nur allzu oft die Interessen der Industrie durchgesetzt, weshalb zivilgesellschaftliche Akteur*innen Greenwashing beklagen, auch wenn die rechtlichen Grenzen eingehalten werden. Zusätzlich zu Verbraucher*innen scheinen auch führende Investmentfirmen und Ratingagenturen Klarheit in Sachen nachhaltiger Geldanlagen zu begrüßen.[14] Ein rechtlich bindendes regulatorisches Rahmenwerk würde die Glaubwürdigkeit erhöhen und geschäftliche Unsicherheit bzgl. Finanzierungsplänen mindern. Letztlich finanzieren Kreditinstitute die Industrie durch gewährte Kredite und Investitionen und tragen entsprechend Verantwortung für schädliche Geschäftspraktiken.

Es bleibt abzuwarten, ob die rechtlichen Regulierungen rund um ESG-Kriterien hinreichend strikt umgesetzt werden. Um glaubhafte Veränderungen im Geschäftsgebaren der Deutschen Bank inklusive DWS zu erreichen, bedarf es jedoch sicherlich weit mehr als rechtliche Vorgaben, wo das Unternehmen regelmäßig die Grenzen der Gesetzte auslotet, wie die Razzia zeigt. Greenwashing sei nur ein Teil der „verkommenen Unternehmenskultur“ (Fixler) in den oberen Etagen des Kreditinstituts und personelle Umstrukturierung bliebe notwendig, damit nicht bei jeder Kontroverse die Aussage „immer wieder Deutsche Bank“ fallen muss.[15] Positiv festzuhalten bleibt, dass der Ermittlungseifer der Strafverfolgungsbehörden und der Rücktritt des DWS-Chefs auch Signalwirkung haben und Greenwashing nicht mehr als Bagatelle abgestempelt wird. „Anbieter von als nachhaltig beworbenen Finanzprodukten werden nun genau prüfen, ob ihre eigenen Anlagekriterien halten, was sie versprechen“, konstatiert Magdalena Senn, Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei der Organisation Finanzwende, gegenüber der Süddeutschen Zeitung.[16]

 

Autor: Simon Kötschau

 

[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/nachhaltige-gruene-geldanlage-greenwashing-sec-dws-deutsche-bank-vorwurf-ermittlungen-101.html

[2] https://www.wsj.com/articles/fired-executive-says-deutsche-banks-dws-overstated-sustainable-investing-efforts-11627810380

[3] https://www.dw.com/en/germany-deutsche-bank-raided-in-greenwashing-probe/a-61986810

[4] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/greenwashing-vorwuerfe-ermittler-durchsuchen-bueros-bei-deutscher-bank-und-dws-a-937222ee-7821-4b28-880b-c61fe851271d

[5] https://www.capital.de/wirtschaft-politik/drei-herausforderungen-fuer-den-neuen-dws-chef-31914200.html

[6] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-dws-asoka-woehrmann-1.5595292

[7] https://www.ft.com/content/372c9402-4702-4a45-940e-02d60f7d79d6

[8] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/gruene-fonds-101.html

[9] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/der-fall-glencore-e881733/

[10] https://background.tagesspiegel.de/sustainable-finance/neue-hoechstzahl-an-zertifizierten-fonds-in-europa

[11] https://twitter.com/elonmusk/status/1510485792296210434; https://twitter.com/elonmusk/status/1526958110023245829

[12] https://www.ft.com/content/e4a818e5-4039-46d9-abe0-b703f33d0f9b

[13] https://www.greenbiz.com/article/secret-life-esg-ratings; https://www.ft.com/content/e84a6f9a-7861-43e6-b0e8-773732772c3a

[14] https://www.ft.com/content/97dd3144-dadb-452f-9a65-088a841ad7b1

[15] https://www.ft.com/content/9ad68424-231b-4edc-9d88-d29ceebd4db0

[16] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-dws-asoka-woehrmann-1.5595292